Medium: Brand eins
Erscheinungsjahr: 2007
Ausgabe: Januar
Fotos: Jan Friese

aus dem inhalt

Der Entrümpler

Wei Luan baut in Deutschland Fabriken ab – und in China wieder auf

Das sei gut für unser Land, sagt er.

Denn so entstehe Platz für Neues.

Der Mann, der die Fabrik abholen ließ, rollt im 300 PS starken silbernen Mercedes S 500 auf den Parkplatz seiner Düsseldorfer Firma. Er ist klein und drahtig, sein Gang ist aufrecht und verströmt eine Aura militärischer Disziplin. Er ist der Mann, der immer dann auftaucht, wenn in Deutschland eine Fabrik schließt, weil ihr die Personalkosten über den Kopf gewachsen sind. Dann bringt der Chinese das Werk nach Fernost. Wei Luan heißt der Mann. Er ist 45 Jahre alt, hat einen deutschen Pass, und lieber als „Wei“ nennt er sich „Wolfgang“.
Wei Luan ist der Entrümpler. Sechs komplette Anlagen hat er in den vergangenen zehn Jahren nach China verschifft, zwei weitere sollen folgen, möglichst bald.. Sein größter und gleichzeitig umstrittenster Deal war der Verkauf der hochmodernen Dortmunder Kokerei „Kaiserstuhl III“. Vor zwei Jahren zerlegten seine blauen Brigaden chinesischer Arbeiter das stillgelegte Schmuckstück in zwei Millionen Teile und bauten sie in China wieder auf. Als kurz darauf die Weltmarktpreise für Kokskohle in die Höhe schnellten, war das Gejammer groß. Die Kritiker zeterten „Wahnsinn“ und malten ein Bild von Deutschland im „Schlussverkauf“, ein Land als „Reste-Rampe des produzierenden Gewerbes“.

Was sie nicht sahen: Wei Luan ist kein rheinischer Reste-Rudi. Der Chinese fegt aus, was nicht mehr gebraucht wird. Nur so entsteht Platz für Neues. Luan, Unternehmensberater und Spezialist für Industrieverlagerungen, hält Deutschland den Spiegel vor. Ebenso plastisch wie drastisch zeigt er, dass es Zeit ist, sich von arbeitsintensiven Schwerindustrien zu verabschieden und voll auf Forschung und Entwicklung zu setzen. Einerseits baut er stillgelegte Fabriken ab, die China die gebrauchten Anlagen noch gut gebrauchen kann; Andererseits investiert er am Standort Deutschland in ein Entwicklungszentrum. Sein Rezept ist einfach: Die Maschinen von gestern gehen nach China, die Maschinen von morgen baut er in Hessen. Wer aber ist dieser Mann, der kaum je in den Medien auftaucht?

(…)

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